IRONMAN FRANKFURT 2024 - Rennbericht von Flummi
Die Ironman-Saison 2024 war für Carmen "Flummi" eine besondere Herausforderung und zugleich ein unvergessliches Erlebnis. Nach einem Jahr voller Höhen und Tiefen stand sie zum dritten Mal an der Startlinie des IRONMAN Frankfurt. Mit einem klaren Ziel vor Augen und der Entschlossenheit, diesmal alles anders zu machen, stürzte sich Carmen in das Rennen. In ihrem Bericht teilt sie ihre persönlichen Eindrücke, Momente der Panik und Erfolge, die sie auf dem Weg zu einem weiteren Ironman-Finish erlebte. Aber lest selbst:
"Dass die wahre Heldin die Familie ist, weil sie einem permanent den Rücken freihält, anfeuert, zum Training antreibt und Begleitservice ist, ist hinlänglich bekannt. Daher gilt mein großer Dank meiner lieben Familie, also meiner Support-Crew. Ohne euren Rückhalt hätte ich es so nicht geschafft.
Dieses Jahr kann ich auch wieder einen Bericht schreiben. Letztes Jahr ging es leider nicht, da ich aufgrund der extrem schlechten Laune über den Rennverlauf einfach nicht dazu in der Lage war. Ich war zu sehr enttäuscht über die meines Erachtens zu geringe Verbesserung der Zeit im Vergleich zum Vorjahr. Aber es ist, wie es ist: Am Renntag muss einfach alles passen, und letztes Jahr passte vieles nicht.
In diesem Jahr habe ich mich einigermaßen auf das Event gefreut. Im letzten Jahr hatte ich ein sehr, sehr langes Motivationstief, das sich von der Vorbereitung bis weit nach Frankfurt erstreckte. Daher musste es diesmal anders laufen, noch so eine Vorbereitung bzw. so ein Rennen, und ich hätte das (neue) Rad an die Wand gehängt.
Darum habe ich mir dieses Jahr auch mal das Briefing angehört. Bei gefühlten 39 Grad saß ich zwar hinter der Tribüne, aber dafür im Schatten. Leider war die Akustik dort nicht ganz so gut, aber zumindest war ich dabei. Beim letzten Schwimm-Check kam dann die erste Panik auf: Jeder, der mich näher kennt, weiß um meine Affinität zum Element Wasser (die mir gänzlich fehlt). Der See war mit 26,5 Grad lecker warm, was das Pflanzenwachstum stark beeinflusste – also ganz genau mein Ding. Pickerpflanzen an den Händen und im Gesicht sind eklig, aber an den Füßen… da werde ich panisch. Also war das Schwimmen immer wieder unterbrochen, weil ich mich ständig in einem Wassergebüsch wiederfand… tolle Generalprobe – nicht. Läuft das am Wettkampftag ähnlich, prost Mahlzeit. Angst bereitete mir aber eher die Tatsache, dass der See mit 26,5 Grad viel zu warm war, um einen Neoprenanzug tragen zu dürfen. Neo heißt Auftrieb und somit für den Kopf Sicherheit. Also schnell nochmal auf die Expo, um nach einem Swim Skin zu schauen und für totaaal günstiges Geld einen zu kaufen (soll schneller machen, gibt aber keinen Auftrieb). Aber hey, schneller ist ja auch was… also für den Kopf!
Die Tatsache, dass in der 50 Grad heißen Kabine leider nur der größte Anzug passte, hat meine Laune gänzlich sinken lassen. Ich weiß, dass ich auch etwas… nun, sagen wir unförmig bin und gute 10 Kilo zu viel habe, aber XL… ich glaub, ich spinne!!
Nun gut, hilft ja nix.
Also der Renntag: natürlich Anspannung, auch Freude, aber genervt vom Regen und wieder lange Schlangen am Klo. Außerdem funktionierten viele Pumpen des Veranstalters nicht. Das beruhigt natürlich ungemein, und man ermahnt sich selbst zur Ruhe, damit man nichts vergisst! Irgendwann war dann doch alles fertig, und die Wechselzone musste verlassen werden. Also jetzt zum Strand… den Profis beim Start zuschauen. Vorher aber, wie es sich gehört, etwas aufwärmen und danach ein wenig einschwimmen. Das mache ich übrigens auch zum ersten Mal. Was dann folgte, erinnerte mich an einen Adam-Sandler-Film. Ich also langsam ins Wasser, als ich knietief in 1 m Entfernung etwas im Wasser sah, was durch die Wellen näher an mich herangeschoben wurde. Als es 30 cm entfernt war, erkannte ich, was es war… Kacka! Wwhhaaa, wie eklig. Wer geht denn schwimmen und… würg. Und das mir, wo ich eh so pingelig bin. Was soll ich sagen? Einschwimmen war dann sofort beendet, allerdings bleiben einige Fragen offen…!
Jetzt reihe ich mich in die richtige Schwimmzeit ein und denke an Hundewelpen & Co… ich muss das gerade Gesehene schnell aus dem Kopf kriegen, sonst gehe ich gar nicht mehr ins Wasser. Funktionierte super. Beim Schwimmen lief dann tatsächlich alles gut… kein Wasser in der Brille (das war ja die letzten beiden Jahre oft mein Problem, aber kurz vor knapp habe ich die richtige Brille für mich gefunden), nur einmal Pickerpflanzen (da wurde seitens Ironman gut gearbeitet), und immer wieder Platzkämpfe, die ich aber größtenteils für mich entschieden habe. Ganz schlecht war es für die, die an meine Füße gekommen sind: Sonst werden diese kaum bewegt, aber auf einmal habe ich einen Beinschlag, mit dem ich übers Wasser laufen kann…
Mit einer Zeit von 1:31:00 war ich eine Minute langsamer als letztes Jahr mit Neo. Jetzt zum ersten Wechsel – alles gut soweit, erstes Gel zu mir nehmen und ab zum neuen Feuerstuhl… und zur Radstrecke. Abgesehen davon, dass es sehr nass war, merkte ich direkt, dass ich schwere Beine hatte. Um Himmels Willen, jetzt erstmal locker losradeln und warm werden. Denn das Wasser war um einiges wärmer als die Außentemperatur. Gedanken: Was soll ich nur 7 Stunden lang denken? Also wird aufgearbeitet: nochmal der Start, das Schwimmen, die Zeit... Apropos: Eine Minute langsamer als letztes Jahr mit Neo. Wäre ich dieses Jahr mit Neo 5-8 Minuten schneller gewesen? Oder schaffe ich es einfach nicht, den Auftrieb und damit die bessere Wasserlage für mich zu nutzen, weil ich so eine schlechte Wasserlage habe? Nun, die Frage kriege ich nicht beantwortet, es sei denn, ich schwimme dieselbe Strecke… schwupp, war der Gedanke auch schon wieder weg!
Aber schlechte Wasserlage… da muss ich wieder ans „Einschwimmen“ denken...
Während der Strecke gibt es einige moralische Punkte: Landstraße bergab… Speed über 59 km/h, mega, weil die Straße breit ist, aber wenn du hier fliegst, dann gute Nacht. Aber auch langgezogene Anstiege, bei denen man in den fast kleinsten Gängen tritt und tritt – ein Schritt langsamer, und man fährt rückwärts. Und dabei das absolute Highlight: nasses Kopfsteinpflaster…
Die ersten Kilometer vergehen tatsächlich wie im Flug, aber ab 100-140 km werden die Schmerzen an Gesäß und Schulter bzw. Nacken bewusster. Aber diesmal blieb es größtenteils aus.
Dafür muss ich mich mit Gedanken ablenken: „Wie sieht eigentlich der berühmte Schweinehund aus und welche Farbe hat wohl der Badeanzug?“, „Wenn ich das heute schaffe, dann höre ich auf damit.“ „Wenn ich eine Panne habe, schmeiße ich einfach das Ventil weg. Dann brauche ich auch nicht den Schlauch zu wechseln und kann aufhören“ (das war an einem langgezogenen Berg). Dass der neue Schlauch sein eigenes Ventil hat, habe ich in dieser Stresssituation gar nicht bedacht…
Dass ich mittlerweile die Strecke kenne – immerhin bin ich das dritte Mal dabei – ist jetzt mein „Pech“, denn ich kann mich gut erinnern und weiß genau, wie viele Kurven etc. noch kommen. Aber das nutze ich, um mich selbst auch aufzupushen und zu sagen: Nur noch zwei Berge und dann geht’s in die Stadt zurück…! Auf einmal ein Motorrad mit einem Ordner? Der schnauzt mich an: „Alter, sei froh, dass ich nichts zu sagen habe, das ist ‘ne Karte.“ Öhm, ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich falsch gemacht habe. Ich habe nicht überholt und bin meiner Meinung nach rechts gefahren. Ja, ich habe eine Gelpackung umfahren, vielleicht bin ich zu weit in die Mitte gefahren? Muss der mir eine Karte zeigen oder reicht es, wenn er das sagt? Ich müsste dann direkt in die nächste Penalty Box, entscheide mich aber dagegen, weil ich meine, gehört zu haben, dass er gesagt hat: wenn er was zu sagen hätte... 50/50 Chance: Fahre ich nicht raus und ich hatte eine Karte, bin ich disqualifiziert und hoffe, dass sie es mir sagen, damit ich dann nicht mehr laufen muss. Fahre ich raus und es war nix, verliere ich Zeit... und überhaupt, was heißt hier Alter???
Während ich darüber immer wieder nachdenke, waren die 177 km auch schon zu Ende und das in einer Megazeit (für mich). Unter 7 wäre top, aber 6:07 – mega, mega, mega 👏👏, da hat sich die Investition in den roten Feuerstuhl doch gelohnt!!!!
Jetzt mit Gummibeinen wechseln und dann nur noch ca. 5 Stunden…!
Die ersten 6 Kilometer denkt man, man ist völlig langsam, dabei ist man wesentlich schneller, als man sollte. Ein Sprichwort: „Was du am Anfang an Sekunden gewinnst, verlierst du am Ende an Minuten.“ Gewünscht hatte ich mir einen durchgehenden 6er-Schnitt, aber die Frage lautet: Wie lange hält der Magen? Im vorletzten Jahr war nach 20 Kilometern keine Gelaufnahme mehr möglich, was zu einem drastischen Leistungsabfall führte. Letztes Jahr habe ich gegen diesen Punkt angekämpft und wurde dafür zu allem Überfluss mehrfach mit Magen/Darm und damit einhergehenden Aufenthalten im Dixieland „belohnt“… Das wollte ich diesmal sowas von nicht riskieren. Dixie-Klos und den nassen Einteiler aus- und anziehen,
Dieses Jahr war mein Plan: auf dem Rad alle 30 Minuten ein Gel zu nehmen und beim Laufen alle 20–25 Minuten, weil man zu dem Zeitpunkt ja schon ziemlich erschöpft ist, und das, solange es noch geht. Bei jedem, den man überholt, schaut man auf die Arme und denkt: „Oh, hat der/die es gut... die haben schon... und ich erst...“ Aber überraschenderweise ändert sich das von Runde zu Runde (woran das wohl liegt).
Bis Kilometer 38 konnte ich die Gels nehmen, dann war Schluss. Die letzten vier Kilometer habe ich bei jeder Verpflegungsstation Cola oder Iso und Wasser genommen. Die letzten vier schaffe ich auch noch – jetzt habe ich den Kopf frei für jedes Plakat und für alle Anfeuerungen. Das letzte Plakat: „Hol dir die magischen vier Worte“, die ich für mich mit „Bring it home, Flumm“ fülle. Noch eine Kurve, dann abbiegen auf den roten Teppich. Jetzt kommt er, der Gänsehautmoment, der Moment, für den ich nachts so oft noch gelaufen oder auf der Rolle geradelt bin… vergessen (nur kurz) sind die Qualen des Rennens, das Schwimmen, die Berge beim Radeln und die vier laaangen Runden beim Laufen. Die Zuschauer schreien einen ins Ziel, und dann kommen sie… die magischen vier Worte: You are an Ironman.
Kurz stehen bleiben, die Medaille nehmen, und schwupp wird man aus dem Zielbereich entfernt. Von Feiern keine Spur mehr, die nächsten sind dran! Stehen bleiben war auch keine gute Idee… jetzt tut alles weh, und jetzt geht’s mir auch nicht mehr gut. Cola gibt es im Athletenbereich nicht, und essen kann ich direkt nach dem Sport nichts. Also Taschen holen, duschen wie eine ganz alte Frau und das wirklich schöne Finisher-Shirt abholen. Massage – Schlange, Essen – Schlange. Da ich nicht mehr kann und mich bestimmt nirgendwo anstelle, gehe ich direkt raus zu meiner Familie. Ich will nur noch weg… also Rad und Taschen holen, dann noch einmal über den Eisernen Steg, was mich eine Tasche gekostet hat, da ich jetzt Galle an die frische Luft lassen musste. Im Hotel direkt die Recovery Boots an und schwupp, erstmal ein Powernap. Danach konnte ich auch wieder etwas zu mir nehmen.
Ich teilte meiner Supportcrew mit, dass ich komplett aufhöre, weil ich diese Gedanken während des gesamten Rennens hatte. Geduldig hörten sie sich alles an, ohne etwas dazu zu sagen.
Doch weil dieses Jahr alles anders laufen sollte, überredete mich meine allwissende Supportcrew auf dem Heimweg, doch noch zur Slotvergabe zu fahren. Schließlich war ich noch nie dabei gewesen, und Steffi Brunkhorst sollte unterstützt werden. Außerdem hätte ich zu Hause ohnehin nachgesehen, wer einen Slot für Hawaii bekommen hat.
Dieses Jahr wurden in meiner Altersklasse sogar fünf Hawaii-Slots vergeben. Das bedeutete, dass Steffi sicher einen bekam—einfach großartig! Ich freue mich riesig für sie... Natürlich sind die Hawaii-Slots heiß begehrt, denn Ironman und Hawaii gehören zusammen, nicht Nizza. Daher waren die Plätze schnell weg. Es war interessant, das mal miterlebt zu haben. Aber jetzt ging es erst mal nach Hause und in eine Pause von allem.
Ich habe inzwischen herausgefunden, dass viele diese „Warum mache ich das eigentlich?“ Gedanken haben, die aber spätestens drei Tage später wieder verschwinden—so auch bei mir! Meine Supportcrew kommentierte das nur mit: „Das wussten wir.“
Morgen, anderthalb Wochen nach dem Rennen, treffe ich mich mit Flo, um die neue Saison und die Vorbereitung zu planen. Laut Flo war es die schlechteste Vorbereitung aller Zeiten! Es kam ständig etwas dazwischen, und durch meinen Alltag blieb oft keine Zeit fürs Training. Trotzdem habe ich mich verbessert. Wenn ich mich unter diesen Bedingungen steigern konnte, ist noch viel mehr drin, wenn ich eine gute Vorbereitung habe. Jetzt passt alles wieder zusammen: Schon vorher war mir klar – nächstes Jahr will ich mich für Hawaii qualifizieren.
Am Ende des Tages hat Carmen "Flummi" nicht nur das Rennen, sondern auch ihre inneren Zweifel überwunden. Trotz der Herausforderungen, von der Hitze beim Briefing bis zu den Strapazen auf der Strecke, hat sie den IRONMAN erneut und mit neuer persönlichen Bestzeit gemeistert. Die magischen Worte "You are an Ironman" werden ihr noch lange im Gedächtnis bleiben. Doch statt sich auszuruhen, richtet Carmen ihren Blick schon auf das nächste Ziel: die Qualifikation für Hawaii. Mit der Unterstützung ihrer Familie und einem klaren Schlachtplan, den sie gemeinsam mit ihrem Trainer Florian Kaiser für die nächste Saison entwickelt hat, ist sie bereit, auch diese Herausforderung zu meistern.
Wir sind stolz, Carmen in unserem Verein zu haben und gratulieren ihr herzlich zu diesem beeindruckenden Erfolg.🏅🏅🏅