• Rennbericht Ironman Frankfurt 2021 von Florian Kaiser

  • Die Vorgeschichte

  • Montag, 31.8.2020: In einem kurzen Moment geistiger Umnachtung habe ich mich für den Ironman Frankfurt 2021 angemeldet! Ein paar Tage zuvor hatte ich einen Priority-Link von Ironman bekommen, dass die Anmeldung für Frankfurt an diesem Tag öffnet und es war davon auszugehen, dass es nur wenige hundert Plätze geben würde. Die allermeisten Startplätze werden durch die Verschiebung des ausgefallenen Rennens aus 2020 bereits vergeben sein. Im Hinterkopf dachte ich: “Klick dich am Montag mal rein, dann sind wahrscheinlich eh alle Plätze weg und die Nummer ist Geschichte”. Aber Pustekuchen! Ich konnte mich ganz normal durch den Anmeldeprozess klicken und erhielt wenige Minuten später die Bestätigung, dass ich in 2021 in Frankfurt den wahrscheinlich längsten, härtesten unvergesslichsten Tag meines “Sportlerlebens” würde erleben dürfen. Im Nachhinein schiebe ich die spontane Entscheidung der Anmeldung auf die besonderen Umstände der Corona-Pandemie. Home-Office, Kurzarbeit und keine Reisezeiten hatten mir mehr Zeit für das Training gegeben als jemals zuvor und das, obwohl unsere kleine Tochter Ida ja erst seit 10 Monaten bei uns war. 

    Also dachte ich: “Jetzt oder nie; deiner Frau wirst du das irgendwie verklickern, dass der Ironman mit gar nicht so viel mehr Trainingsaufwand zu schaffen ist”. (Spoiler: Das hatte ich mir natürlich nur so vorgelogen, aber am Ende war es bis auf sehr wenige Wochen tatsächlich so. Dazu später ein paar Sätze mehr).
    Einen Tag hatte ich sie in dem Glauben gelassen ich hätte mich zu einem 70.3 angemeldet. Dieses Format hatte ich zuvor schon 4 Mal gemacht und die Anmeldung war so keine große Sache für sie. Nach kurzer Aufregung und oben erwähnter Erläuterung bzgl. Trainingsaufwand konnte ich mich aber auf ihre Unterstützung freuen und verlassen.
    Den Winter über habe ich wie gewohnt weiter trainiert ohne groß an meine erste Langdistanz zu denken. Trainingslager fielen der Pandemie zum Opfer, genauso wie später für 4 Monate das Schwimmtraining. Die Elternzeit war zu Ende und der Stress im Job stieg Ende des Jahres sehr stark an. Außerdem fing meine rechte Achillessehne immer mal wieder an zu zicken und hinderte mich dabei die Laufumfänge zu erhöhen. Also voller Fokus auf das Radfahren. Wird schon bald alles wieder gehen...

    Bisher hatte ich mich seit 2013, als ich mit dem planmäßigen Laufen begann, selbst trainiert. Ein paar sportwissenschaftliche Grundlagen aus dem Grundstudium Sport konnte ich mehr oder weniger erfolgreich bei ein paar Marathons und in den letzten 4 Jahren im Triathlon
    anwenden. Je näher das Rennen aber kam, desto größer wurden die Zweifel, ob dieser Weg auch für die Langdistanz der richtige sein kann. Ich habe in den vergangenen Jahren sicher einen 5-stelligen Betrag in Ausrüstung, Wettkämpfe, Trainingslager, Leistungsdiagnostiken,
    Aerotests und werweißichwas “investiert” (liebendgern!). Da kommt es auf das Geld für den Trainer nicht an, dachte ich. Im Nachhinein denke ich ganz anders darüber. Zuerst kommt der Trainer, dann das Material und alles weitere. Durch die Zusammenarbeit mit Sven (Wies)
    habe ich unglaubliche Fortschritte gemacht und das Training macht noch einmal viel mehr Spaß. Du denkst einfach nicht ein Mal darüber nach, ob du gerade das richtige machst, sondern ziehst einfach möglichst konsequent durch. Am Ende war das mit Sicherheit der
    Schlüssel zum Erfolg.

  • Zieleinlauf Finisher Florian Kaiser Ironman Frankfurt 2021
  • Der Plan und die Vorbereitung

  • Dazu kam, dass ich mir immer mehr Gedanken darüber machte, was eigentlich ein realistisches Ziel für mich sein kann. Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne ambitionierte und selbstbewusste Ziele ausgebe. Bisher ist das auch oft aufgegangen. Aber vor der Langdistanz hatte ich gehörigen Respekt. Understatement war angesagt. “Gut und sauber durchkommen” war die Devise. Eigentlich nicht meine Art, aber wenn man das ehrlich nimmt, könnte auch mit diesem Ziel eine Sub10 rauskommen (nach meinen Vorleistungen auf der Halbdistanz). Sven war immer deutlich optimistischer und sagte mehrfach, ich solle mir auf jeden Fall den Termin für das Rennen auf Hawaii in den Kalender eintragen und Urlaubstage aufsparen. Naja, lass uns erstmal ein bisschen trainieren...
    Im Schnitt habe ich seit März 2021 netto im Schnitt etwa 11-13h pro Woche gemacht. Eine Woche im Urlaub nach der Challenge Walchsee stand mit 24h im Plan. Dazu drei weitere mit über 16h. Das wars. Wichtig waren vor allem die langen Radfahrten mit meist kurzem Koppellauf. Was für ein Zufall, dass meine Eltern genau 185km entfernt wohnen. 4 lange Einheiten habe ich also wunderbar mit Besuchen in der Heimat verbinden können. Im Schwimmen hat mich Sven auch auf jeden Fall deutlich nach vorne gebracht. Wichtig war dabei nicht unbedingt ein schnelleres, dafür aber ein deutlich entspannteres Schwimmen. Auf Mitteldistanzen stieg ich bisher regelmäßig mit einem 180er Puls aus dem See.
    Auch bei den langen Sololäufen hat Sven eher gebremst und diese dosiert eingesetzt. Leider musste ich auch immer wieder auf die Sehne aufpassen und bin daher in den letzten 3 Monaten teilweise prophylaktisch alle 14 Tage zum Physio oder Osteopathen. Zum Glück konnte ich so gefühlt 98% des Plans umsetzen. Eine Entzündung am Rücken knapp 4 Wochen vor dem Start hätte beinahe noch einmal alles ins Wanken gebracht. 1 Woche nur Schwimmen und regenerieren haben aber gereicht, um nicht zu viel Leistung zu verlieren.
    Neben Physio kam noch eine Ernährungsberatung auf die zusätzliche Ausgabenliste von vor Langdistanzzeiten. Der Magen war immer mein großes Problem auf den Mitteldistanzen gewesen. Ich brauchte drei Anläufe um ein solides Rennen abzuliefern und dieses habe ich aus Angst vor einem weiteren Wandertag mit exakt einem Gel gemacht. In zahlreichen Testeinheiten habe ich festgestellt, dass eigentlich gar nicht die Ernährung das Problem war, sondern vielmehr das falsche Pacing und insgesamt eine viel zu hektische Renngestaltung.
    Für Frankfurt galt es also den Fokus auf genau zwei Punkte zu richten: Wattvorgabe auf dem Rad einhalten und Ruhe bewahren. Bei beidem war ich mir insbesondere an den Tagen
    vor dem Rennen sehr unsicher, ob mir dies gelingen würde...

  • Florian Kaiser Ironman Frankfurt 2021 mit Sven Wies
  • Das Rennen

  • Die letzten 3,5 Wochen nach der Rückenverletzung liefen wieder perfekt. 10 lange und intensive Tage einzeln abgehakt und dann ab ins Tapern. Jetzt bloß nicht mehr stürzen oder irgendetwas einfangen. Check!

    Am Freitag bin ich allein nach Frankfurt gefahren. Sven kam am Samstag nach seinem Training dazu. Frau und Kind hatte ich zu Hause gelassen, da das Wochenende für die beiden zu stressig gewesen wäre. Ihre Unterstützung nahm ich von zu Hause mit. Genauso wie ich von so vielen wusste, dass sie den Tag am Fernseher und Ironman Tracker verbringen würden. Diese Vorstellung hat mir richtig viel Kraft und Zuversicht gegeben.

    Trotzdem bin ich mit ein paar kleinen Zweiflern im Hinterkopf um 4:30 Uhr am Sonntag in den Bus zum Langener Waldsee gefahren. Ich konnte mir eigentlich nicht so recht vorstellen, wie ich diese anspruchsvolle Radstrecke so bewältigen soll, dass danach noch ein vernünftiger Marathon rausspringt. Sven sprach mir viel Mut zu und wusste offensichtlich, dass dies möglich war. Der Plan war wie folgt: Beim Schwimmen in die erste Gruppe mit Zielzeit unter 1:05h einsortieren und mit ruhiger Atmung die 3,8km abspulen. Auf dem Rad im Schnitt 220-225 Watt treten und möglichst selten Spitzen einbauen. Dann den Lauf nur nicht zu schnell angehen. 4:35 anlaufen und schauen was geht.

    Der Startschuss für den Rolling-Start fiel und nur knapp 1 Minute später war ich im Wasser. Ich hatte jetzt richtig Bock auf das Rennen und wollte es wissen. Auf den ersten 1,5km war es überraschend voll im Wasser. Ein, zwei Füße habe ich kassiert, bin aber trotzdem gut durchgekommen. Die Sonne, die später noch richtig Hitze bringen sollte, blendete extrem, aber ich hab alle Bojen gut erwischt. DIe Zweite Runde war deutlich entspannter und ich bin viel im Wasserschatten geschwommen. Auf der letzten geraden war ich extrem entspannt und habe mich gefühlt nur noch hinter meinem Vordermann ausgeruht. Umso überraschter war ich, dass Sven mir “deutlich unter einer Stunde” beim Aufstieg aufs Rad zurief. Hätte ich niemals gedacht, dass das so “locker” für mich möglich ist. Beim Wechsel habe ich mich ebenfalls darauf konzentriert ruhig zu bleiben. Wahrscheinlich hat gerade deswegen jeder Handgriff funktioniert und ich saß knapp 4 Minuten später schon auf dem Rad.

    Die Anfahrt die ersten 15km in die Stadt waren super. Es geht leicht bergab und ich fuhr etwa einen 40er Schnitt genau nach Vorgabe. Auf dem Hügeligen Abschnitt nach KM30 und der gefürchteten Kopfsteinplasterpassage (welche ich und meine Verpflegung 2x problemlos überstanden) bildete sich so langsam eine größerer Gruppe von zwischenzeitlich gefühlt 50 Fahrern. Ich hatte mir an den Anstiegen ein Limit von 280 Watt aufgelegt, die ich nur fahren wollte, um an der Gruppe zu bleiben. Trotzdem war ich an jedem Anstieg letzter der Gruppe und hatte eine Lücke. Auf echt super zu fahrenden und richtig schnellen Abfahrten haben dann natürlich alle schön die Beine hochgenommen und ich bin wieder aufgerollt. So ging das Spiel bis nach Frankfurt zum Ende der ersten Runde. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen wollte auf keinen Fall zu viel Watt am Berg treten.

    Dann die Dummheit des Tages! Noch in der City in Frankfurt überholte ich den vorletzten der Gruppe, der allzu sehr damit beschäftigt war, seinen Fans zuzuwinken. Bei diesem Überholvorgang kam ich zu dicht an den davor fahrenden Kollegen, zögerte kurz, ob ich auch an ihm vorbeifahren sollte und entschied mich dagegen. Zack: Blaue Karte, 5 Minuten Stop an der nächsten Penalty Box. In der kurzen Aufregung darüber, habe ich die Gruppe ziehen lassen. Ich dachte, da kommt bestimmt gleich die Box und dann erholst du dich. Vielleicht ist das gar nicht so schlecht, gerade auch für den Magen. Bisher hatte ich den Verpflegungsplan zu 100% umgesetzt. Leider kam die Box erst 50km später. Wer schaut sich das schon vor dem Wettkampf an!? Naja, diese 50km bin ich komplett allein im Niemandsland gefahren. Ich redete mir ein, jetzt machst du in Ruhe dein Ding, sind doch nur noch 2,5h auf dem Rad. Aber ich hatte auf jeden Fall ein kleines Tief, bis die “ersehnte” Box kam. Ich freute mich tatsächlich auf die kurze Pause 40km vor dem Radziel und wollte danach wieder voll angreifen. Das funktionierte perfekt. Ich hatte direkt nach Absitzen der Strafe zwei Mitstreiter gefunden und wir fuhren zu dritt fair und schnell in T2.

    Jetzt das große Zittern: Was sagt der Magen beim Wechsel in die Laufschuhe? Sofort habe ich gemerkt, dass alles passt. Wieder ein solider Wechsel und sofort gut in den Rhythmus gekommen. Ab jetzt wollte ich die Laufstrecke genießen. Hier, wo ich zu Zeiten als ich noch in Frankfurt gearbeitet habe, schon unzählige Kilometer gerannt war. Und Sven rief mir die entscheidenden Infos zu. Du bist voll im Plan, locker loslaufen, kühlen und verplegen. Alles klar, Chef. Wird gemacht! Bis km 18 ging das wunderbar. Ich wusste, ich darf nicht schneller, auch wenn es möglich gewesen wäre. Bei KM 21 der zweite Durchlauf bei Sven und so langsam wusste ich, dass jetzt das Kämpfen anfängt. Und genau das bekam ich auch zu hören: “Auf geht’s Flo, jetzt fängt das Rennen an”. Ja dachte ich, ich zieh das Ding jetzt durch. Ab da half es mir enorm, dass ich etwa alle 2km Freunde hatte, die mich anfeuerten. 

    Bei Start/Ziel Sven und seine Horde Triathlon-Kollegen, bei KM 3 auf jeder der vier Runden Sebastian Zeller, mit dem ich studiert habe, bei KM 5 Daniel ein ehemaliger Arbeitskollege und bei KM 8 Marc ein alter Tischtennis-Freund. Steven konnte ich eigentlich auf der gesamten Strecke hören. In Runde 3 und 4 muss ich aber voll im Tunnel gewesen sein und habe nicht mehr alles mitbekommen. Ich hangelte mich also nicht nur von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation sondern auch von Unterstützer zu Unterstützer. Trotzdem ist der Schnitt gar nicht so dramatisch runtergegangen und ich konnte mit kurzen Gehpausen zum Trinken noch etwa 5:10 pro KM laufen.

    Etwa bei KM 32 hatte ich zum ersten Mal das Gefühl und die Gewissheit, dass ich nicht mehr explodiere und wahrscheinlich sogar auch unter 10h ins Ziel kommen werde. Mehrmals habe ich danach beim Laufen eine Gänsehaut bekommen. Die Beine haben den ganzen Tag funktioniert und der Magen ebenso. Lange war ich unsicher, ob das bis zum Ende so bleibt, aber bei 32 wusste ich, da geht nichts mehr richtig schief. Bei 37 war Sven auf einmal auf der anderen Mainseite. Ich musste jetzt richtig beißen, aber bei den Worten: “Nur noch eine Regattarunde, die schafft man immer”, konnte ich wirklich nicht widersprechen. Ab 39 konnte ich mit der Hilfe von Cola sogar wieder lockerer laufen und den letzten KM sogar noch einmal in der Zielpace von 4:35.

    Das Abbiegen auf den Zielteppich hatte ich mehrfach während der vergangen Wochen im Training und auch im Rennen beim Laufen visualisiert. Ich war fit, voll Adrenalin und konnte den Moment unglaublich gut genießen. Arme hochreißen, schreien, lachen, egal! Dann umgedreht und eine 9:40:xx auf der Anzeige gesehen. Unglaublich! Mehr muss ich wahrscheinlich gar nicht schreiben. Auch ohne Zeitstrafe wäre ich wohl nicht schneller gewesen. Zufriedener kann ich nicht sein! Dass ich mit Platz 19 sieben Plätze hinter den Kona-Slots gelandet bin, ist für mich ein riesen Erfolg.

    Nach dem Rennen habe ich 3L Bier getrunken und 1000 Mal den Kopf geschüttelt. Während dieses Berichtes hat es nur für 1L gereicht :) Außerdem habe ich komischerweise so gute Beine und immer noch so viel Bock auf Triathlon, dass ich den 70.3 Duisburg “for fun” nun doch noch mitnehme. Bekanntlich kann ich Wettkämpfe sehr gut ganz entspannt nur zum Spaß machen :) Danke an alle fürs Dabeisein, wie auch immer. Frankfurt ist ein absolut geiles Rennen!!!

    Florian
    Mülheim, 17.08.2021

    PS: Was mit einer Mail von Ironman im August 2020 begann, nimmt nun seine Fortsetzung mit einer weiteren Mail vom 24.8. Tatsächlich haben mindestens 7 vor mir platzierte Athleten auf ihr Startrecht an der Ironman WM auf Hawaii verzichtet. Ich bin also qualifiziert. Sven sollte Recht behalten und wir werden aller Voraussicht nach bei der mittlerweile auf den 5.2.2022 verschobenen WM in Kailua Kona am Start stehen...

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